Medizin, Pflege & Therapie

Handydaumen

Einfach mal den Finger wechseln

Smartphone und Computermaus können bei zu intensiver Nutzung Schmerzen in Fingern und Unterarm verursachen. Linderung verschaffen aber schon kleine Übungen – und eine gelegentliche Pause.

Text: Alexander Nortrup

Foto: Christian Schröger

Christian Schröger ist gelernter Physio­therapeut und leitet den Bereich Therapie an der Klinik Niederbayern der ­Waldburg-Zeil Kliniken.

In der S-Bahn, im Bus, selbst im Restaurant: Überall wischen Menschen auf dem Smartphone zwischen Fotos, Websites und Apps hin und her. Für den Daumen, der dabei überwiegend aktiv wird, ist das Dauerstress. Die Forschung weiß: Mehrere Hundert Meter pro Tag legt ein durchschnittlicher Daumen scrollend auf dem Display zurück. Dabei ist dieser Finger anatomisch eigentlich nicht für eine derartige Langstrecke ausgelegt – und seine Sehnen werden entsprechend überlastet. Das ist schmerzhaft und kann zu chronischen Beschwerden führen. Gleiches gilt für das Dauerklicken auf der Computermaus: Wer das täglich am Arbeitsplatz tut, kann Schmerzen bekommen.

Für Christian Schröger sind das keine neuen Erkenntnisse: „Das ist unser tägliches Brot“, sagt der gelernte Physiotherapeut, der den Bereich Therapie an der Klinik Niederbayern der Waldburg-Zeil Kliniken leitet. Früher seien vor allem Handwerkerinnen und Handwerker gekommen, die nach vielen Jahren einseitiger körperlicher Arbeit neue Kniegelenke bekommen hatten. „Dann kamen das viele Sitzen und Rückenprobleme“, sagt der 48-Jährige. Heute seien es eben auch die Nutzerinnen und Nutzer von Smartphones, selbst wenn deren Krankheitsbilder in einer Rehaklinik wohl erst in zehn Jahren vermehrt auftauchen werden. Christian Schröger und sein Team beschäftigt schon heute die Frage: Was können Menschen tun, um die modernen Leiden zu vermeiden? Der Physiotherapeut rät zunächst einmal dazu, den eigenen Körper ernst zu nehmen: „Wenn ich Schmerzen habe, läuft etwas schief – und ich sollte das nicht gleich mit Tabletten oder Spritzen bearbeiten. Lieber schaue ich: Wo bin ich aus der Balance? Den eigenen Körper wahrnehmen das können heute nur noch wenige Menschen.“

Hunderte Meter scrollt ein Daumen täglich über ein Handydisplay.

Übung für gestresste Daumen

Das Smartphone auf den Tisch oder eine andere Fläche legen. Dann ganz bewusst nicht mit dem Daumen, sondern mit einem anderen Finger tippen und wischen. Immer wieder abwechseln, gern auch mit etwas Mühe. „Etwas anders zu machen, bringt oft am meisten“, sagt Christian Schröger.

Übung für mausgeplagte Unterarme

Auf einen Stuhl setzen. Einen Arm so ausstrecken, dass die Handfläche zur Decke zeigt. Die Finger sind gestreckt, die Handfläche offen. Dann mit der anderen Hand die gestreckten Finger leicht nach unten in Richtung Körper drücken und dehnen. Das sollte im Unterarm als Spannung zu spüren sein. Die Schulter dabei nicht nach oben ziehen.

Wichtigste Faktoren: Dauer und Intensität

Klar ist: Die Handydisplays werden immer größer, das Abspreizen der Finger deshalb auch immer intensiver. „Dann wird im ersten Sehnenfach eine permanente Anspannung produziert, die bis hin zu einer Sehnenscheidenentzündung führen kann“, sagt Christian Schröger. Das Tippen und Klicken auf Tastatur und Maus wiederum überlastet die Fingerbeuger im Unterarm. Aus der Sicht des Experten sind die wichtigsten Faktoren die Dauer der Nutzung und die Intensität. „Ich würde niemandem die Handy- oder Computernutzung verbieten. Die Dosis macht das Gift.“ Scrollen und Wischen auf daumenschonende Art, das könne schon viel verbessern (siehe „Übung für gestresste Daumen). Auch eine ergonomische Tastatur sei hilfreich.

Ist der Schmerz erst einmal da, sei es umso wichtiger, sich medizinische Unterstützung zu holen und vielleicht auch ein wertvolles Hilfsmittel kennenzulernen: das Kinesio-Tape. „Ein Tape am Daumensattelgelenk und an der Daumenseite des Unterarms hilft, den langen Daumenbeuger zu stabilisieren“, bestätigt Christian Schröger. Gleiches gelte für die Fingerbeuger im Unterarm. Es dürfe aber nicht irgendwie geklebt werden: „Der Muskel muss gut vorbereitet und intensiv gedehnt werden. Dann sollte am besten eine geschulte Fachperson das Tape in der gedehnten Position anlegen.“ Tapes hätten generell eine hohe Wirkung und seien zudem nachhaltig die vorhergehende Behandlung wirke durch sie bis zu fünf Tage nach. Einen lebenspraktischen Tipp hat der Therapieleiter und Hundebesitzer noch: „Einfach mal durch den Wald spazieren gehen und das Handy zu Hause lassen. Dann tut der Daumen hinterher garantiert nicht weh.“